Linie 1

Entlang der Strecke – Folge 1

Publiziert am: 16. Juni 2022
Eine Illustration zeigt ein älteres Paar. Die Frau telefoniert, der Mann schreibt Notizen nieder.

Überbrückungshilfe

Das Telefon klingelt. Natürlich erkenne ich schon am Klingeln, wer dran ist: meine Eltern. Und ich weiß auch schon, wie der erste Satz lauten wird: „Hallo Tochter. Du weißt ja, dass sich deine Mutter wahnsinnig darauf freut, mit der Linie 1 direkt in die Innenstadt fahren zu können. Damit sie nicht ungeduldig wird, fahren wir bis dahin den Streckenverlauf mit dem Rad ab.” Meine Mutter ruft aus dem Hintergrund: „Heute sind wir auch wieder ein Stück gefahren.“ Mein Vater seufzt: „…aber so richtig weit sind wir nicht gekommen. Du kennst ja deine Mutter: Sie trifft immer jemanden, mit dem sie reden kann. Diesmal …

… waren es Bauarbeiter auf der Brücke.”

Noch bevor ich fragen kann, welche Brücke gemeint ist, erzählt meine Mutter weiter: „Ja, wirklich weit sind wir nicht gekommen. Nur bis zur Brücke über die B75. Aber da gibt es auch allerhand zu sehen – und zu reden.” „Weißt du“, schaltet sich mein Vater wieder ein, „dass das, was wir leichthin eine Brücke nennen eigentlich Überführungsbauwerk heißt?“ Ich muss lächeln: Mein Vater ist in seinem Element. Meine Mutter lässt sich von seinem Einwurf nicht beirren und berichtet: „Da waren einige nette junge Männer. Und die habe ich einfach mal gefragt, wann die Brücke fertig ist?” „Ich finde ja viel interessanter”, wirft mein Vater ein, „wie die Straßenbahn die Steigung schaffen wird. Ist ja doch ganz schön steil.“ „Warum hast du das dann nicht gefragt?“, kontert meine Mutter. „Die müssen ja auch arbeiten und können nicht die ganze Zeit nur unsere Fragen beantworten“, entgegnet mein Vater.

Den kurzen Moment des Schweigens meiner Eltern nutze ich für einen kleinen praktischen Tipp: „Alle eure Fragen könnte ihr auch im Infopoint stellen. Die Mitarbeiter:innen dort freuen sich ganz bestimmt über euer Interesse.“ „Gute Idee”, sagt meine Mutter, „machen wir, wenn wir das nächste Mal im Roland-Center sind. Aber erst mal wollen wir uns anschauen, wie es jetzt am Willakedamm aussieht.

„Wir rufen wieder an. Mach’s gut.“